Sonntag, 30. Dezember 2007

So viele Liebesgedichte

Und immer wieder in Gedichten Liebe, 

als gäbe es auf dieser Welt nichts als Geschlechtsverkehr, 

bei dem man bestenfalls verwirrt, 

verdummt wie unbekümmert Diebe, 

die nächtlich sich in leere Häuser wagen, 

Gedanken unterdrückt, wenn sie uns sagen, 

dass alles Dreschen, Süßholzraspeln, Reizen 

am Ende Spreu nur schafft, indes der Weizen 

gedeiht allein im Wahn, der Phantasie, 

wenn mit geschlossenen Augen man erträumt, 

was niemals war noch wird zum Vis-à-vis.

Sonntag, 23. Dezember 2007

Letzter Adventsonntag

(Bläsergruppen aus Nordfrankreich in Montmartre) 


 Durch die Gassen, Straßen, Winkelhöfe 
wogt der feierliche dumpfe Klang der Tuben, 
trägt die alten Melodien des Jahresfestes, 
ruft,berichtet und erzählt von der Erwartung 
von der immer wieder neu versprochenen Ankunft 
des das Heil verkündigenden Welterretters 
mit dem Pathos abgespielter Weihelieder und Gesänge. 

Von Balkonen und aus offenen Fenstern 
neigen sich die froh gelaunten Menschen, 
die ihr hastig Festbereiten für Momente 
unterbrechen, um mit Lächeln zu verspüren, 
wie der Hauch von fast vergessenen Bildern ihrer Kindheit 
sie mit Wehmut und Besinnlichkeit berührt. 
Die aber, jene Kinder, die es heute sind 
und in den Tag hinein den Tag erleben, 
halten nur kurz, beinah erstaunt ihr Plärren an 
und wissen nicht warum!

Samstag, 8. Dezember 2007

und gesang war wie licht

weißt du, warum der gesang nur manchen gegeben, 

andere aber, was jenen als wohlklang und aufschwung der seele 
sich bietet, mit schrecken erfüllt und erscheint als schmerzender lärm? 

erscheinen gehört jedoch in den bereich des erschauens, 
ist der bewegung der augen verwandt, aber nicht dem gehör, 
wenn auch beiden gemein ist der wunsch und das sehnen nach jenem,

das licht ist und feste, sich gegeneinander durchdringt, 
nicht erkennbar den sinnen, dem herz nur allein. 
bleibt der gesang, den vor zeiten begnadete dichter erlauschten

im strömenden, wehenden, unruhigen laut der natur 
und der tiere warnschrei, der brunst wie der klage. 
doch kann kein gesang in der ruhe geschehen noch verweilen, 

denn ruhe ist stillstand, das enden von jeder bewegung. 
muss darum gesang am ende alles geschehens verstummen?

Donnerstag, 15. November 2007

Übernahme

Schließe deine Augenlider 

und lege deinen Kopf in meine Hände, 
die ihn wie Schalen umfangen. 

Schwielig sind sie vielleicht und rau, 
doch die Härte der rissigen Haut 
dieser gealterten Hände spürst du wohl kaum. 

Fühle, wie die Tröstung, die vielleicht ich und niemand sonst 
in dieser lärmenden Welt dir bringen kann, 
wie vertrocknender Duft durch dein Gesicht steigt, 

bis die Schwere der verbrauchten Tage, 
die sich in deinen Zügen zu entlasten sucht, 
in meine geduldigen Hände sinkt.

Freitag, 9. November 2007

Ungeregelt

Der wilde Kampf um eine unbekannte
doch so ersehnte Wiederkehr
des Einen der sich selbst gesandte
und wuchs und wurde
und immer mehr als Spiel geschah
das sich gleich saurer Beigeschmack
in Apfelspalten oder in Orangenschalen
zu fügen drängte gleich dem Abend
an dem aus seinem blinden Sack
der Rotbehoste eine Nuss ergriffen
und sie den offenen Mäulern hingehalten
dass sie die trocknen Speichelfalten
mit Wortekrümmeln sengte.

Verkennen

Wie fremd ist mir geworden 

dieses wilde Leben einer wilden Stadt, 
als hätten Drängen und das Schreien, 
die Gesten einer Menschenmasse, 
mit Wildheit, also der noch nicht gezähmten Lebenslust, 
etwas gemein. 

 War ich denn Teil davon, 
in diesem Sog aus Lust und Angst verfangen 
und mitgewirbelt durch die roten Lüste, 
denen nur Leere folgte 
und die Traurigkeit des Fallens? 

Freiheit und Glück? 
Gebunden ohne Fessel 
vor der glatten Spiegelwand der Einsamkeit, 
in der man sich nicht, 
noch die andern sieht, 
erkennt, verkennt, 
und keine andere Seite...

noch zwei Minuten


...noch zwei Minuten
bis die Glocke tönt
und mich aus dem Verliese meines Schädeltempels
in eine unbekannte Freiheit zu entlassen droht.

Was kann in solchen Zeiten noch
geschehen, sich in mir entrollen
aus jenen Vorratskammern,
deren Türen nie geöffnet?

Was wird mir in dem Lichte
aus der andren Seite
angeboten, aufgedrängt?Verkennen
Die Angst...

Ich muss sie überwinden,
um einen Schritt nur gehen zu können.
Anschlägt die Glocke,
um die Zeit,

und ich,
geblendet,
falle, stürze
in das Außen...

Dienstag, 16. Oktober 2007

Grinzinger Erinnerungen

Zwischen dem glatten Spiegel
und dem vorgeneigten Kopf
stützt sich mein flachgelegter Unterarm,
auf den ich meine Stirne lege.

So kann ich meinen Blick nach innen richten
und bei Gedanken, auch den trägen, schweren,
ein wenig weilen, dort am Abort einer Schänke,
in der für wenig Geld
man schlechten Wein mir reichte,
den jetzt ich mühsam doch befreiend
aus mir fließen lasse.

Wie kam ich denn hierher
und weiß ich, was ich hier
zu finden hoffte?

Ich suchte nichts
und das war's, was ich fand
hier am Aborte,
Stirn auf Unterarm
auf Spiegel oder Wand.

Montag, 24. September 2007

Alte beim Heurigen

Wie einst im Mai! 

So schön konnte es sein, 
als wir noch glaubten, 
dass die Welt auf uns wartete,
direkt vor der Türe, 
und sie trug ein buntes Kleid 
aus Hoffnung und Versprechen, 
aus den noch nicht verlorenen Träumen 
und dem Frohsinn übermütig zusammengebastelt. 

 Wir waren so jung, 
wie es das heute nicht mehr gibt, 
weil man keine Zeit mehr lässt den Träumern, 
die nicht sofort alles haben wollen, 
alles an sich reißen, alles aufbrauchen, 
was an Schönem und Tiefem 
die Welt, die Liebe, das Leben 
uns langsam nur zu bieten bereit ist. 

 Dann sitzen wir heute draußen, 
irgendwo in einem Garten 
vor dem einen Glas, 
das uns noch gestattet, 
und wenn der Musiker kommt, 
die Geige und auch die Harmonika, 
erinnern wir uns, 
wie wir sie einst belächelten, 
die Alten, 
und wissen, das sind wir jetzt, 
und wir lassen die alten banalen Lieder 
durch uns sinken und wir summen mit….

Samstag, 8. September 2007

Mondängste

Die dunkle Brille bietet vagen Schutz. 

Wär besser wohl, wenn ich die Augen schlösse 
und hinterm zugezogenen Vorhang hocken bliebe.
 
Doch dieses Rauschen, diese Brandung aus Verlangen, 
nach Sturz und Flug, wie es in meinem Schädel schäumt, 
und durch die Glieder streckt die Gier, 
sie zittern macht, bis aus dem Munde, 
zum schräg gestelltem Maul zerrissen, 
die Qual hervor würgt sich im stummen Schrei.

Dann, durch das splitternde Gebälk der Türe 
bricht mein ungeheurer Leib 
in Deine lichte Herrlichkeit, 
Du bleicher Gott! 

Ich trinke Deinen Nebelhauch, 
der aus den schwarzen Büschen immer höher 
auf zu den Gipfeln steigt 
und Du mich hebst mit ihm aus Wald und Felsen,
aus der feuchten Nacht, 
zerfließend in die Moderträume 
der so sehr Gerechten 
in die Gewalt des nie gewesenen Seins

... aus dem ich fröstelnd in den Tag erwache, 
um seinem ungerührten Morgen 
schluchzend zu entfliehen.

Späte Begegnung

Lang sind und schwer die Gewänder, 

die die Alten noch tragen zum Kirchgang, 
zum Feste und Abschied von Toten. 

Auch die Mienen sind schwer und gezeichnet 
von lange getragener Bürde, 
der Last ihres mühsamen Lebens, 
dem zu entfliehen der Mut ihnen fehlte 
oder die Liebe ein Hoffen versprach, 
ein längst schon vergessenes Trugbild, 
das sie kaum je erhofften, 
und das nur mehr im Flackern der Kerzen 
am Grabe der andern sie manchmal berührt. 

Wenn dann ein faltiges Lächeln 
sich zeigt im Gesichte des Nächsten, 
das dem Erinnern nur gilt 
an jene versunkenen Tage, 
mag es geschehen, 
dass eine fast schon verdorrte Hand 
mit seltsamer Zartheit sich legt auf die Wange des andern, 
der vielleicht ein vergangener Schwarm 
oder auch mehr einst ihr war. 

Ein fast verschämtes „Weißt Du noch?“
klingt es so anders als das geflüsterte „Liebster“ von damals? 
Vorbei! und der schwere Fuß 
stolpert weiter und hinterher, als wäre 
die flüchtige Regung nimmer gewesen.

Samstag, 4. August 2007

Atta, oder die Bahnreise

Atta“ schreit das Kleinkind neben mir,

das eine selig lächelnde Mutter stolz betrachtet,

Atta!“ so klingt es mir ins Ohr

und will wohl ganz bestimmt nicht altgermanisch sein,

doch was das schrille Heulen auch bezweckt,

in meinem gar gekochten Hörkanal,

nach vielen Stunden im Waggon,

zwar 1. Klasse aber trotzdem lärmbelästigt,

fügt sich der Schmerz zu Lautgebilden,

die sich den Sinn von irgendeiner der Erinnerungen suchen,

die mir noch bleiben, da das Blut des Schmerzes

mir das Sein zum Überlaufen füllt.

Atta!“

Oh, ich könnte Amok laufen!


Freitag, 3. August 2007

Ufergedanken

Wenn des unermesslichen Kleides

kräuselnder Saum deine Füße umspielt,

wie in Gesten der Demut und der Verehrung,

und seine, des prächtigen Meeres, Ufer

ihren Abdruck getreulich empfangen,

magst in den Nacken den Kopf du werfen

um aufzujubeln: „Ich bin!"


Doch der Schall deiner Stimme

fällt zurück ohne Echo

ins Ohr dir, und in Gleichgültigkeit

wiederholt die Brandung ihr ewiges Spiel,

verwischt deine Spuren mit blasigem Schmatzen.


Zeugin allein deines Glückes

wäre vielleicht jene Meduse geworden,

die am Strande vertrocknet unweit von Dir,

hätte die Schöpfung ihr Auge und Ohr gegeben.

Doch wozu, da doch Vergehen und Tod

nicht des Verstehens bedürfen?

Montag, 16. Juli 2007

Idylle am Strand

Eine warme Woge schwemmt ans Ufer 

die leergewaschene Schale einer Languste 
und legt sie zur nackten Wade des ertrunkenen Matrosen, 
den sie zuvor auf ein Lager aus Sand und Tang 
behutsam gebettet. 

Dann hebt und senkt das abgeflaute Meer 
die noch fast ganzen Glieder, 
fröhlich beinahe, im schaukelnden Rhythmus. 
Das flachgeschabte Gesicht franst sich im Sande, 
doch die salzzerfressene Nase 
reizt nicht mehr der Algen Geruch. 

Wenn später die Nacht die Konturen verwischt, 
kommt irgendwann mit der Flut eine gnädige Welle 
und schleppt in die Tiefe zurück, was der Tag nicht gewollt.

Einzig hungrige Möwen werden am Morgen 
vielleicht ihre Flügel schleifen 
über den reingeschwemmten Sand,
als wüssten sie etwas von dem Verschwinden 
und ihr Schrei mag Hunger heißen oder auch Klage. 

Sonntag, 8. Juli 2007

Der Gehörnte

Ob die lächelnden Züge der gierige Bock, 

der den Amboss mit Wucht so behämmert, 
dass das Eisen sich glättet und streckt, 
auch manchmal dem willigen Opfer noch zeigt, 
wenn die Glut in der Schmelze erstickt und erstarrt?
 
Er entzieht sich vielmehr der Umarmung 
und zerstößt mit dem Klumpfuß die Lüge, 
die an ihn sich klammert 
mit neu nun erwachter Lust 
und mehr will und mehr immer wieder, 

bis in die Nebelfeuchte des Morgens 
er hinkend entflieht 
zu seinem herrlichen Weibe, 
die ihren lustvollen Leib jedoch 
nur den anderen Göttern gewährt.

Nebenwirkung

Ich bin nur eine Nebenwirkung,
ein by-product, wie die Anglisten sagen,
aus jener Lust, die in den frühen Tagen
zwei Menschen ineinander steckte.

Dass dann aus der Verkoppelung
sich unerwartet meine Zellen formten,
die sich vermehrten nach genormten
Prinzipien? Das hat mein Ich geboren.

Mittwoch, 6. Juni 2007

Die Jugend ist die Seuche


Denn allen Raum durchdringt die Dummheit,
die aus den Poren träufelt, uns umschlingt
wie Sumpfgewächs, erstickend Licht und Glut.

Wie wenig braucht es, um die Brut zu sengen,
die sich aufs Leben schimmelgleich gelegt?
Schon immer gab es Mord und Brand und Seuche.

Die Jugend ist die Seuche, die auf alles,
was je der Mensch durch Arbeit sich erkämpft,
nun ihre freche Hand im Frevel legt.

Die Jugend, die zum eitlen Wahn der Alten,
der sich in vager Möglichkeit erschöpft,
die Tatkraft ihrer jungen Jahre fügt.

Was vordem harmlos nur seniler Geifer,
durchtrennt als Richtschwert dann der Welt den Nacken,
die mit ins Sterben alles Leben reißt.

Wenn man wollt fragen, wessen war die Schuld
und wer nur Diener eines fremden Geistes,
so schweigt das Sein, der Stimme längst beraubt.

Es schweigen die Ruinen und Kadaver,
Nur Wind bewegt bisweilen dürre Halme,
doch niemand lauscht mehr ihres Raschelns Klage.


Montag, 21. Mai 2007

Schlafstörung


Wenn die Nacht um mich knackst
oder summt und der Tinnitus pfeift,
halt ich die Lider geschlossen
und steige ins Träumen.

Pfeif nicht so laut!
Das Pochen hinter dem Brustbein:
Bumh, brrrumpum, brubbrubbrub!
Sollte zur anderen Seite mich drehen.

Wie ich schnaufe.
Hinter einem Wagen,
einem winzigen mit lachenden Spöttern,
laufe ich her,
keuche und springe.
Sprünge,
die sich von den Sohlen
ablösen.

Höher,
aber ich stoße schon an,
denn der unendliche
gewölbte Himmel
ist so tief.
Mit meinen blutigen Nägeln
kratz ich den Kalk
aus seinen Fugen,
suche seine Türe,
die Luke, ein Fenster
einzudringen
hinter diese Himmelswand,
unter der ich sticke,
ersticke ,
ersticke..

bis der Tinnitus
die Pause läutet
und die Nacht wieder um mich knackst.

Donnerstag, 17. Mai 2007

Rückenmassage

Wenn du an Liebe denkst, vergiss das Alter, 

das Reife bringt vielleicht, doch stets Verfall! 
Was du für Würde hältst, ist nur ein kalter 
Verzicht, ist Klagen ohne Widerhall. 

Die warme Hand, gelegt auf meine Haut, 
aus alten Träumen weckt sie Phantasie, 
doch dort, wo damals Gier mein Blut gestaut, 
erblüht jetzt welke Lust zu Poesie.

Grausliche Mitternacht

Hufschlag und Fluchen und der Schrei einer Magd 

in der Scheune geschändet zum wirren Gelächter. 
Wer jetzt noch ins Dunkle zu spähen sich wagt, 
wird gnadenlos Opfer der grimmigen Schlächter, 
dem die nächtlichen Schemen die Adern zerfleischen, 
wenn die hungernden Rudel der heulenden Hunde 
ihren Anteil am blutigen Mahle erheischen 
von Hexern und Teufeln zur Mitternachtsstunde. 

Behänge die Balken mit Knoblauchzöpfen. 
Mit Weihwasser musst du die Türen besprengen, 
wenn ums Haus tobt die Hatz der Gespenstergeschöpfe, 
die mit flackernden Fackeln zum Eingang sich drängen. 
Halt die Ohren dir zu , schließ fest deine Augen, 
hinter den Ofen verkriech dich zum Beten. 
Das Weihwasser trocknet, dein Hirnblut saugen 
mit Schmatzen die Gäste, eh' sie dich zertreten.

Weihnachtsskizze

Wenn du aufschaust, einen Augenblick nur unterbrichst 

deine Hast, kannst du vielleicht das Christkind sehen 
oder den Weihnachtsmann, die sich ganz schnell 
hinter der Türe verstecken. 
Dann findest du einmal ein langes seidenes Haar, 
 das du auf den Weihnachtsbaum hängst, 
oder auch eine struppige Borste, 
die dem weißen Bart des Weihnachtsmannes entfiel. 

 Selbst aber wenn du zu langsam bist bei diesem Spiel 
 und nur noch den Geruch von Zimt oder Anis 
an deiner Nase vorbeiziehen spürst, kannst du 
ans Fenster treten und in die Nacht hinausblicken, 
die für dich einen Lichterbaum aufgestellt hat, 
ganz ohne dein Zutun. Streck deine Hand hinaus, 
aber sei vorsichtig, denn kalt weht der Wind herein. 
Vielleicht fällt dir eine kleine Flocke auf den Handrücken, 
dass du zurückzuckst, sie an deine Lippen führst 
und sie spürst wie den zarten Kuss der Mutter in deiner Kindheit.

Blinde Begegnung



Papier?
dachte die Tasthand.
Gehobene Brauen und magere Wangen
als Rahmen für emsigen Lippenton.

Papier!
Glatt, vielleicht glänzend,
dachte er hinter der schwarzen Brille,
die das Licht , das Licht? fernhielt
von seinen erloschenen Augen.

Papier,
das einmal Baum war,
anderswo.
Könnte dienen als Serviette,
auch, Lächeln, intimer,
oder zum Fidibus.

Papier
fiel zu Boden,
zertreten und ungelesen
unsterblich gedachte Verse.

verbrannte mir das Hirn der Siebenstern

Der rote Hass hat mich ins Licht geschleust, 

wie ausgestoßen vom Gesetze. 
Ich weiß nicht mehr, wann dies geschah, 
doch als ich brüllend stürmte durch den dunklen Gang, 
zerriss den schwarzen Wandbehang, 
da fand ich nur die leeren Netze, 
die nichts mehr wussten von dem Fang.
 
Auf Schollen war ich einst getrieben, 
das Eismeer stahl mir meine Sicht 
und fror den Wein in meinen Schläuchen. 
 Vom Himmel stieg das Nordlicht nieder, 
verbrannte mir das Hirn der Siebenstern 
und hieß mich schweigen. 

Ich träumte Karst und Hitze, vom Schwarz der Feigen, 
wie deren Fleisch, blutrot und süß, 
 vergor in aufgeblähten Bäuchen. 
 Dann hob mich eine Hand heraus, 
wie alle Wirrnis floss zurück ins Sein, ins Meer?
 Da wogten Flügelschemen im Applaus. 
Die Stimme sagte: Komm nach Haus!
und alles war wie immer, wüst und leer.

Zwischenzeit

Wenn die gefleckten Vögel sich den Himmel greifen, 

auf Flammenflügeln tanzen ihren Schaukelschwung, 
 den Abgrund wissen, doch den Horizont nur streifen, 
um sich zu wiegen in der frühen Dämmerung, 
 dann klagt von Abschiedsweh bisweilen eine Weise, 
 die nur sich selbst erhört als Widerhall 
und sanft Erinnern an die frühe, lange Reise, 
die aus dem Nichts entführte in das Überall. 

Fast ist der Abend schon hereingedrungen, 
der Hain belauscht sein eigenes Geraune, 
durch das betörend süße Saitenspiele sind erklungen 
und sich ermüdet strecken satte Faune. 
 Sie lüften ihren Fleischberg, der sie zur Begattung 
der ewig wiederholten, immer neuen drängt. 
Schnell schwindet mit dem Tageslichte die Ermattung, 
wenn Gier der Abendwind in ihre Nüstern hängt. 
 Streicht durch die Vogelbeerensträuche 
spät ein Gast, der nichts mehr weiß von alter Zauber Wirken, 
kann es geschehen, dass die Nacht ihn fasst 
und er im Schlafe trinkt den Wurzelsaft der Birken.

Wenn auch das Schöne

Wenn auch das Schöne nicht bleibt, 

abfällt, verdorrt wie die Früchte des wilden Feigenbaumes, 
der seine Süße dem sanften Wehen des Windes zaghaft verschenkt, 
findet noch spät, wenn das Alter schon seine Gerbfinger auf die Haut legte, 
noch Ebenmaß das liebende Auge, und zur Liebkosung hebt sich die Hand.

Vorbei


Bei dir hab ich mich wie daheim gefühlt.
Was heißt das schon: gefühlt – daheim - bei dir?
Wenn die Begierde einmal abgekühlt,
hebt Unruh oder Gleichmut das Visier.

Erinnerst du dich noch der ersten Stunden,
die wir verwirrt zerredet und verdeutet,
denn unser Wort war, unser Sinn gebunden;
wir fühlten edel uns - und ausgebeutet.

Dann jene Zeit, in der wir alles hatten,
wovon wir einst geträumt, doch nie geglaubt,
dass wir so bald am Glücke uns ermatten
und unser reines Liebeslicht verstaubt.

So wurden aus den Lenden Schenkel wieder,
und Beine, die einst Fingerkuppen reizten,
zu Gehwerkzeugen: ganz banale Glieder,
die einst sich nicht nur aus Routine spreizten.

Am Sonntag lagen wir im Bett und dachten,
ob wohl der große Rausch vorüber sei?
Das war's, was nun? so meint ich und wir lachten
und lebten weiter, als wär nichts dabei.


Wanderer

Hätte nur Hass mich aus mir selber löschen können, 

mich fortgetrieben, ausgestoßen und gejagt 
in Wüsten und in wilde Steppen. 
Ich suche nicht mehr nach Vergessen. 
Selbst auf der Scholle, die im Eismeer trieb 
– blau schrie der Himmel über schwarzen Wasseröden - 
schlug mir ins Ohr zurück allein mein trockenes Schluchzen, 
dem niemand je gelauscht.
 
In Bergen trug ein Echo fremden Laut, 
doch blieb es mir versagt, den Dingen 
selbst es nur zu sagen und zu reden, 
als sei ich da, als sei mein trüber Schatten 
auch nur das kleinste Leben.
 
Ach, wenn mich nur zum Tode, zum ersehnten, 
ein blinder Pöbel schleppen wollte, 
für den ich nichts bedeute, 
sich zu erheitern mich zum Kniefall stöße 
aufs Schafott! 

Wie gern ergötzt ich diese blanke Menge 
mit rotem Blute und mit Lustgeröchel, 
das noch aus den zerrissenen Lippen strömen sollte, 
wenn ich es sagen dürfte, einmal nur als Schrei, 
bevor mein Schädelball im trockenen Staube rollte, 
ich nur bekennen dürfte: 

Den ich verriet – Er war ein Gott! 
Doch bin zum Leben ich verdammt. 
Ich wandere, ein ew’ger Schatten, 
ich, der verdammte, 
Ich Judas Ischariot!

Rotgeglühter Hunger

Rotgeglühter Hunger und versteppter Acker
scheuchte der Lokusten Schwarm,
indes die Beuge eines braungegerbten Knies
dem sandgeschabten Gotte ihre Feuchte bot.

Letzte Labung an der Tränke der Oase
ward dem Lamme, das im Feuer
nachts am Spieße köstlich duftend
sich zur Nahrung wandeln sollte…

Einfaches Volk

Rauchender Schlund an der Lagune. 

Träume sind anderswo. 
Wundgeschundene Stunden. 
Sonntags Bingo und Ball. 
 Fett oder Kleie? 
Bestickt stramme Leisten, 
gebraucht die beengende Haut 
Schleier? 
 Gerafft und gewürgt die hüpfenden Backen. 
Ein wohltemperiertes Grinsen für den teuren Schlüpfer.

Ablöse

Sie waren beide jung. 

Im Hass und Gleichmut der Umgebung so erfahren, 
dass sie sich selber nicht mehr mochten. 
Bis die Begegnung ihnen wie mit Seidentuch, 
sein Blick auf sie, ihr Blick auf ihn, 
all das Gewusste aus gequälten Mienen aufsog.
 
 Er griff nach ihren Händen oder war es sie, 
das ließ sich später nicht mehr klären, 
zu einem weiten Gang durch das Geschrei der Stadt. 
Sie hörten nicht die Unmutsrufe, das Verkäuferlocken, 
als dann ihr Gang ein Laufen, Springen, Tanzen wurde 
zur Musik, die nur in ihnen war und die sie trug 
 hin zu der Brücke, die den Wildbach überwölbte. 

Ein Lachen, glücklich wie ein Jauchzen klang 
der Schrei, mit dem sie in die Fluten stürzten, 
die ihre ineinander sich umklammernd Leiber 
noch lange, lange mit sich trugen, 
bis sie das Meer befreite.

Aha!

wie ich schon gestern bemerkte,
oder war’s heute vielleicht?

ist in der Poesie
scheinbar vorhanden, was
tatsächlich nicht existiert.

Koch doch den giftigen Waldpilz
und bereite ein Mahl;
nachher betrachte die Gäste
schwindlig zu Boden sinken,
taumelnd den Dichter versohlen.

Wie züchtig war man anno dazumal

Er hat bestimmt es auf mich abgesehen, 

 auch wenn er nein sagt und es stets bestreitet. 
Doch kann ich ihn jetzt nicht mehr übergehen, 
 so spiele ich die Unschuld, zartbesaitet. 

 Wie kann der Tolpatsch nur von sich behaupten, 
 er sei nach alter Schule Kavalier! 
 Er glaubt sogar, mir machten die verstaubten 
 und dummen Komplimente noch Plaisir. 

Lässt Rosen oder andre Blumen kommen, 
ich lächle, das macht mir schon nichts mehr aus. 
Ist doch mein Jungfernkränzchen fortgeschwommen, 
drum ließ ich gern ihn jetzt zu mir ins Haus!

Sing süßer Vogel

Sing, sing, süßer Vogel, sing, 

denn die Nacht ist nah. 
Vielleicht ruft dein Lied für mich, 
für uns alle, die wir hoffen auf jenes, 
das wohl nie verbleiben würde, 
selbst wenn es einmal sich fände 
und hinabstiege in die Pulse der Sehnsucht, 
deren Schlagen sich erhöbe zu einem Lustschrei 
und dann sich für immer verlöre. 
Noch einen kleinen Akkord 
sing süßer Vogel, 
dann flieh in die Nacht,
die uns gnädig sei.



Kochkunst und Eheleben

Warten, dass die Suppe kocht, 

indes Madame, mein Eheweib, 
sich ihre frisch gewaschnen Haare trocknet. 
Gemüse frisch und voll an Vitaminen, 
„das, und nicht Fleisch, sollst du bereiten, 
für dich und auch für mich der wahre Segen...“ 

Ich hocke in der Küche und das Wasser brodelt, 
der Duft nach Porree und nach Sellerie 
beginnt mich zu umschmeicheln. 
„Du hast doch die Zucchini nicht vergessen?“ 
kommt aus dem Nebenraume meines Weibes Stimme.
 
Nein, nein, und auch Kohlrabi hab ich beigefügt, 
Gemüse, das du noch nicht kennst, 
und alles dünstet sich im Topf zusammen 
zum köstlichen Gemüsemahl. 
 Und ich verschwieg es weise, 
dass ich mit Maggi würzte, 
da doch Naturgeschmack und Bios ward gefordert!

 „Weil du so duldsam warst, 
darfst du nun zu den Wurzeln 
der Petersilie und Karotten 
auch frischen Bauernschinken uns servieren, 
und dann, wie jeden Abend, 
dein Doppelgläschen Rotwein!“
 
 Ach, wie ist glücklich so ein Pensionist, 
wenn er sein Glück an seiner Kochkunst misst 
und sein Gemüse mit der lieben Gattin isst!

Sättigung

wäre der Anfang auch nur seiner Süße beraubt 

und mit der Trauer belegt, die sich zum Ende gesellt, 
wie könnte das Leben sich je vom Bekannten lösen 
und zur Begeisterung schwellen jene Sattheit des Fühlens, 
die auf den Lippen das brandige Salz des Vergangenen 
 und im Auge zurücklässt der Beschämung erlösende Träne. 
Stimme und Sang ohne Echo im welkenden Duft 
nie noch erblühter Blumen. Schattenlos reift nur das Licht.

Abkehr

Geschlagen, verdammt in Hinterhöfen des Lebens 

 ein Dasein zu fristen, in dem selbst sein eigener Name 
ihn nur mit Erschrecken mehr füllt. 
Gespenstig gleitet der Schatten die Wände entlang, 
verfängt sich in Spinnwebennetzen leimiger Haftung 
zur modrigen Tarantella. 

Wie konnten die einstigen Träume so früh ihn verlassen, 
Gazellen und Lilien, die seine Brust bewohnten, 
wo Elefanten behäbig und langsam jetzt schreiten? 
Wohin sind verschwunden der Schmerz und das Frösteln der Gier, 
wenn am Abend Frau Nacht die Gewänder anhebt und abstreift, 
um mit spitzer Zehe die Frische des Meeres zu proben?

Er, der alles gesehen, gewollt oder nicht, 
schluckt die verbrennenden Worte und spült 
aus dem Schlunde die ätzigen Flüche am Morgen.

Sandstrahlgebläse der Zeit

Weg weht der Wind meine Jahre zu Staub. 

Vorgeneigt gegen das Licht 
 um seinen Ansturm zu tragen, 
taub der Begegnung, wend ich mich nicht, 

wenn mir die Sicht auch aus dem Auge gerissen. 
Schreite mit Tastgebärden, 
trag noch ein Wissen vielleicht, 
das von dem Winde vergessen. 

Sieh, wie mein Fuß schon versinkt, 
auflöst der Weg sich im Licht. 
Schatten mich nicht mehr erreicht, 
und die Orkane versterben.

Hosenstudie

Die Oberhose, 

von der Unterhose her gesehen, 
ist fast ein Usurpator, 
der jener nur ein wenig Luft 
und selten Licht gewährt. 

Doch gibt es Stunden, Nächte meistens, 
wo beide friedlich schlummern, 
im Wäschekorb die eine träumt,
indes die andere, 
ausgeleert auf einer Sesellehne hängend, 
versucht, die frische Haltung und die Bügelfalte 
aus sich selbst und dem Erinnern 
wieder herzustellen. 

Die erstere aber, die den Duft des Körpers, 
manchmal auch ein Tröpfchen von Urin 
durch einen Tag hindurch gesammelt, 
denkt fast ein wenig traurig, dass sie bald 
in einer Waschmaschine 
von beiden wieder losgetrennt 
und dann vom heißen Bügeleisen 
zurück in eine glatte Form 
sich pressen lassen wird, 
um wieder einen andren Tag erneut 
und nicht sehr willig sich der Überdeckung 
durch die Oberhose auszusetzen, 

Denn jene Oberhose ist nun einmal 
so beschaffen, dass sie sich selbst als Hose nur 
erkennt und nicht das „ober“ braucht, 
um ihre Existenz im Worte zu begründen, 
dieweilen jene arme Unterhose, 
das „unter“ zur Bestätigung 
der unterjochten Eigenexistenz 
wohl essentiell benötigt. 

Da aber jenes Denken, 
das eigen ist dem Träger beider Hosen, 
die klare Trennung im dualen Sinne postuliert, 
manichäisch unterscheidet zwischen 
innen-außen, wie auch dem unter jeweils 
steht ein ober gegenüber, wobei das ober aber 
immer über einem unter wird bewertet, 
kann man als Freundlichkeit der Oberhose
es verstehen, dass diese auf ihr Präfix 
hat verzichtet, und so erscheint es zumutbar, 
dass sich die Unterhose resigniert 
dem ihr bestimmten Schicksal und der (Ober)Hose unterwerfe!

Dienstag, 15. Mai 2007

Klagenfurt, Neuer Platz, Mai 2007

Jetzt haben sie dich aufgerissen. 

Mit schweren gelben Ungeheuern 
kratzen sie den Grund, 
der immer tiefer sich um deine Mitte breitet.
 
Die Autos, die dich sonst den ganzen Tag umrunden, 
sie bleiben fern, durch bunte Zeichen abgehalten, 
wenn sie nicht Taxis oder Autobusse sind. 

Die alten Bäume wurden ausgegraben. 
Sie verschwanden,  
bevor die Menge noch ein Lebewohl gesungen, 
doch in die tiefen Furchen, die die Bagger ziehen, 
 werden in Doppelreihen bald Platanen eingepflanzt. 

Auch, wie es scheint, wird dann die weite Fläche 
mit Fliesenziegeln abgedeckt oder dergleichen. 

 Das lärmt und schreit den ganzen Tag 
und schreckt die Menge weg, 
die sich in anderen Quartieren ihren Kaufbedarf, 
Kaffeehausklatsch und Rendezvous zu sichern weiß.

Wenn dann nach Arbeitsabschluss balzend stolz 
mit Festgrimasse der Herr Bürgermeister 
deine neue Schönheit preisen wird, 
die Stadtverwaltung und sich selbst mit Lob beträufelnd, 
den Bürger nicht, 
der unbefragt dafür mit Steuern zahlte, 
dann kehrt zurück zu dir, mein lieber neuer Neuer Platz, 
 das alte Leben voller Autos, Lärm und CO2.

Sonntag, 13. Mai 2007

Klagenfurt, Neuer Platz, Jänner 2007

Der weite Platz, auf dem die alte Steinskulptur 

 nicht mehr erschrecken will, 
da selbst des Ungeheuers Dräuen 
als Wasserspeier ist verstummt, 
er fröstelt unterm Raureifmantel, 
den ihm der frühe Morgen angelegt. 

 Kaum heben ihre Blicke spärliche Passanten, 
die noch den Nachtdunst auf den Stirnen tragen, 
wenn sie mit Vorsicht 
auf dem glänzend glatten Pflaster, 
auf dem ein Sturz mit Knochenbrüchen droht, 
zu ihren Arbeitsstätten hasten. 

Dann spielen den gewohnten Rot-grün Wechsel 
 ringsum die Ampeln und die Autos kreisen 
vorbei an Schaufenstern, Geschäftportalen, 
die noch im Weihnachtsschmucke glitzern. 
Ein fettes Bettelweib sucht erste Opfer, 
Und Duft von Röstkastanien weckt den Tag.

Samstag, 12. Mai 2007

Abstieg

Der Liebe feurig Brand hat sich verlagert, 

es knirscht der Kalk im Knie, wenn ich mich beuge. 
 Selbst meine Phantasie ist abgemagert, 
so dass ich nur mehr fromme Wünsche zeuge. 

Auf Nebenstraßen stauen rot sich Klumpen; 
den Zugang werden bald verstopft sie haben. 
Dann lässt ein schwarzes Männlein sich nicht lumpen 
 und spricht, wie gut ich war, der jetzt begraben! 

Doch ist das Spiel nur für den einen aus, 
denn für die andren geht es lustig weiter: 
man speist recht gut und trinkt beim Leichenschmaus 
aufs Wohl des Toten Erbschaft und ist heiter.

Ich bin nicht die Fülle

Bin ich der mir selbst nicht Gewisse, 

der sich noch im Zögern verhält, 
wenn der Tage schattende Risse 
schon der nächtliche Aussatz befällt? 

Vielleicht die genügsame Ziege, 
die lachende Kuh und ihr Käse, 
das schreiende Kind und die Wiege, 
im Vorhaus die Unzeitgemäße.
 
Die Schelle der Kappe des Narren, 
der plusternde Brand in den Steppen, 
des Verurteilten quietschender Karren, 
auf dem sie zur Richtstätt mich schleppen.
 
Ich bin nicht die Fülle, bin Leere, 
zur eignen Verleugnung erlesen. 
Und wenn ich zum Nichts mich verzehre,
so ist’s, als wär nie ich gewesen.

Herr? Warum nicht "Dame"?


Du, Herr, bist nur ein Postulat,
ein Maskenschädel,
der mit harten Balken
von johlend Massen wird beworfen.