Dienstag, 13. Mai 2008

Sechzehn Zeilen

Da deinen Namen meine Lippe trug, 

den wundgeliebten und vermaledeiten, 
stieg mein Verlangen, dich zu mir geleiten 
und dich zu halten, wie den vollen Krug, 
 aus dem mir einmal deine Liebe floss, 
und mich mit blinden Gesten so umwog, 
dass sich mein Leib ergab in deinem Sog 
und deine Fülle sich auf mich ergoss.  

Die Erde ich, die deine Feuchte trank, 
Gewitter, Sturm und Himmel du, ja du, 
so jauchzten wir berauscht einander zu, 
bis sich der Zauber brach, die Lust versank 
 und unsre Blicke sich zur Seite wandten. 
Dann gingst du fort mit einem leisen Gruß, 
Wohin? Ich lauschte deinem leichten Fuß, 
der zögernd sich verlor im Unbekannten.

Dienstag, 15. April 2008

Der Pianist von nebenan, ein grauer Mann

der mit den Jahren schon geschrumpft und leicht verzogen,
und auch in seiner Haltung ziemlich untertan:
er spielte , was man ihm befahl und überdies ,
wenn eine leicht beschwipste Schöne ihm ein Glas

auf sein Piano stellte und ein Lächeln schenkte,
mit schweren Augenlidern in die Leere starrend,
Akkorde aus dem Vaterland von Smetana,
voll süßer Traurigkeit der fernen Moldauwellen.

Die Bar von nebenan war wie ein Ausgedinge
an das Casino angehängt, wo jede Nacht
die Reichen und die anderen ihrem Spieltrieb frönten,
sich um die Tische drängten, wo die Kugel rollte.

Sich selbst belügend, jagend nach Gewinn und Glück,
bis ihnen beide von der Kugel abgenommen
und sie ins Nebenan, die kleine Bar, sich schleppten,
wo freundlich sie das Moldauwellenklimpern grüßte.

Der Pianist, als er noch jung war und verwegen,
da zeigte er den Fräuleins seine schwarzen Locken
und ließ als Künstler sich bewundern am Klavier,
wenn er den Schmachtenden voll Schmalz die Moldau spielte.

Dann aber kam die Ehe und ein kleines Glück,
das viel zu schnell zerbrach. Die Locken wurden schütter,
aus dem Hotelpalast ins Nebenan, die Bar,
wo jeden Abend mehrmals er die Moldau spielte.

So auch in der Silvesternacht, wo ein Kassier
das ganze Geld des Sparvereins zuerst verspielte,
ins Nebenan dann ging, wo unser Pianist
gerade wieder seine Moldau sprudeln ließ.

Warum jedoch der Mann zuerst den Pianisten
und dann sich selbst, was leichter man verstehen könnte,
mit zwei Pistolenschüssen wortlos ausgelöscht,
weiß niemand näher und kann nur vermutet werden.

Ins Nebenan kam bald ein neuer Pianist
und mit ihm kam die Blaue Donau in die Bar.
Vorbei das Moldauklimpern, doch wie man so sagt,
es war zwar nicht sehr gut, doch kommt nichts Besseres nach!

Lamento eines älteren Herrn

Mittwoch, April 4, 2007

Mittwoch, 20. Februar 2008

Der Mensch geht vorbei

Und er geht, und er geht, 
und er geht solange vorbei 
an den herrlichen Dingen, 
die die Welt uns zu schenken, 
die Welt zu verschenken bereit ist, 
wenn du, Mensch, nur willst!

Aber der Rabe des Unheils, 
des Unheils Rabe, 
sitzt auf der Schulter des alten Bornierten, 
der immer noch glaubt, 
dass das Leben von ihm kommt 
und seinem Samen, 
den er der fleißigen Göttin in Hülle gespendet, 
in Hülle gespendet.

Suchst du den Schein, die trügende Hoffnung? 
Fragst du die Tiere, den tierischen Ernst, 
denn sie können nicht lachen, 
die Tiere, die Tiere, die Tiere, 
denn wenn sie lachten, 
was wäre das wohl, 
wie wenn wir wagten, den Blick , 
einen winzigen Blick, 
in uns selber zu werfen, 

um dort den hungrigen Fresser zu finden, 
den Vielfraß, den Eklen, 
der sich so stolz auf sein Menschsein beruft 
und die Tiere, 
die traurigen Tiere, 
verschämt in die Schlachthäuser schickt, 
sie verwandelt zu Wurst oder Braten 
oder auch Brei für die liebliche Katze, 
dem herzigen Hund aus der Konserve serviert.

Was also will der Rabe, 
der auf der Schulter des schweigsamen Alten 
so gerne verweilt und dort kreischt,
mit Exkret seinen Träger verächtlich beschmiert?

Sagen will er, uns sagen, 
dass wir vergessen, wozu wir geboren, 
dass wir vergessen, was einmal bewusst vielleicht 
in nun verrotteten Schädeln der vor uns Verstorbenen, 
wenn auch als vage Idee, zu existieren gewagt: 
dass wir geschaffen, 
dass wir als Träger gedacht einer Sendung, 
die wir vergessen, 
täglich vergessen, 
immer vergessen, 
Vergessen, 
und er schreit sein Gekrächze 
und schlägt seine Flügel, 

der Rabe des Unheils.








Freitag, 11. Januar 2008

Ende

Verlier dich in Alleen der letzten Bäume,
die leeren Wege führen in das Nichts.
Mit Dunkelheiten füllen sich die Träume,
erlöschen mit der letzten Spur des Lichts.

Allein bist du, kein Abgrund tut sich auf,
kein jäher Anstieg ladet dich zur Flucht.
In sich gefaltet stocken die Gedanken.
An deines Hirnes Ufer prallt mit Wucht

der Unrat vieler Tage, der verdorben,
wie Fleisch zu Aas verwandelt im Verfall.
Du fühlst vom Lebenswahn dich noch umworben,
doch fern schon bist du seinem süßen Schall.

Dann ist die Welt vorbei, die Zeit nicht mehr,
die Hand verhält, der Fuß trägt keine Regung
und alle Fragen bleiben antwortleer.
Die Stille schweigt. Zur Ruhe wächst Bewegung.