Mittwoch, 20. Februar 2008

Der Mensch geht vorbei

Und er geht, und er geht, 
und er geht solange vorbei 
an den herrlichen Dingen, 
die die Welt uns zu schenken, 
die Welt zu verschenken bereit ist, 
wenn du, Mensch, nur willst!

Aber der Rabe des Unheils, 
des Unheils Rabe, 
sitzt auf der Schulter des alten Bornierten, 
der immer noch glaubt, 
dass das Leben von ihm kommt 
und seinem Samen, 
den er der fleißigen Göttin in Hülle gespendet, 
in Hülle gespendet.

Suchst du den Schein, die trügende Hoffnung? 
Fragst du die Tiere, den tierischen Ernst, 
denn sie können nicht lachen, 
die Tiere, die Tiere, die Tiere, 
denn wenn sie lachten, 
was wäre das wohl, 
wie wenn wir wagten, den Blick , 
einen winzigen Blick, 
in uns selber zu werfen, 

um dort den hungrigen Fresser zu finden, 
den Vielfraß, den Eklen, 
der sich so stolz auf sein Menschsein beruft 
und die Tiere, 
die traurigen Tiere, 
verschämt in die Schlachthäuser schickt, 
sie verwandelt zu Wurst oder Braten 
oder auch Brei für die liebliche Katze, 
dem herzigen Hund aus der Konserve serviert.

Was also will der Rabe, 
der auf der Schulter des schweigsamen Alten 
so gerne verweilt und dort kreischt,
mit Exkret seinen Träger verächtlich beschmiert?

Sagen will er, uns sagen, 
dass wir vergessen, wozu wir geboren, 
dass wir vergessen, was einmal bewusst vielleicht 
in nun verrotteten Schädeln der vor uns Verstorbenen, 
wenn auch als vage Idee, zu existieren gewagt: 
dass wir geschaffen, 
dass wir als Träger gedacht einer Sendung, 
die wir vergessen, 
täglich vergessen, 
immer vergessen, 
Vergessen, 
und er schreit sein Gekrächze 
und schlägt seine Flügel, 

der Rabe des Unheils.








Freitag, 11. Januar 2008

Ende

Verlier dich in Alleen der letzten Bäume,
die leeren Wege führen in das Nichts.
Mit Dunkelheiten füllen sich die Träume,
erlöschen mit der letzten Spur des Lichts.

Allein bist du, kein Abgrund tut sich auf,
kein jäher Anstieg ladet dich zur Flucht.
In sich gefaltet stocken die Gedanken.
An deines Hirnes Ufer prallt mit Wucht

der Unrat vieler Tage, der verdorben,
wie Fleisch zu Aas verwandelt im Verfall.
Du fühlst vom Lebenswahn dich noch umworben,
doch fern schon bist du seinem süßen Schall.

Dann ist die Welt vorbei, die Zeit nicht mehr,
die Hand verhält, der Fuß trägt keine Regung
und alle Fragen bleiben antwortleer.
Die Stille schweigt. Zur Ruhe wächst Bewegung.

Sonntag, 30. Dezember 2007

So viele Liebesgedichte

Und immer wieder in Gedichten Liebe, 

als gäbe es auf dieser Welt nichts als Geschlechtsverkehr, 

bei dem man bestenfalls verwirrt, 

verdummt wie unbekümmert Diebe, 

die nächtlich sich in leere Häuser wagen, 

Gedanken unterdrückt, wenn sie uns sagen, 

dass alles Dreschen, Süßholzraspeln, Reizen 

am Ende Spreu nur schafft, indes der Weizen 

gedeiht allein im Wahn, der Phantasie, 

wenn mit geschlossenen Augen man erträumt, 

was niemals war noch wird zum Vis-à-vis.

Sonntag, 23. Dezember 2007

Letzter Adventsonntag

(Bläsergruppen aus Nordfrankreich in Montmartre) 


 Durch die Gassen, Straßen, Winkelhöfe 
wogt der feierliche dumpfe Klang der Tuben, 
trägt die alten Melodien des Jahresfestes, 
ruft,berichtet und erzählt von der Erwartung 
von der immer wieder neu versprochenen Ankunft 
des das Heil verkündigenden Welterretters 
mit dem Pathos abgespielter Weihelieder und Gesänge. 

Von Balkonen und aus offenen Fenstern 
neigen sich die froh gelaunten Menschen, 
die ihr hastig Festbereiten für Momente 
unterbrechen, um mit Lächeln zu verspüren, 
wie der Hauch von fast vergessenen Bildern ihrer Kindheit 
sie mit Wehmut und Besinnlichkeit berührt. 
Die aber, jene Kinder, die es heute sind 
und in den Tag hinein den Tag erleben, 
halten nur kurz, beinah erstaunt ihr Plärren an 
und wissen nicht warum!

Samstag, 8. Dezember 2007

und gesang war wie licht

weißt du, warum der gesang nur manchen gegeben, 

andere aber, was jenen als wohlklang und aufschwung der seele 
sich bietet, mit schrecken erfüllt und erscheint als schmerzender lärm? 

erscheinen gehört jedoch in den bereich des erschauens, 
ist der bewegung der augen verwandt, aber nicht dem gehör, 
wenn auch beiden gemein ist der wunsch und das sehnen nach jenem,

das licht ist und feste, sich gegeneinander durchdringt, 
nicht erkennbar den sinnen, dem herz nur allein. 
bleibt der gesang, den vor zeiten begnadete dichter erlauschten

im strömenden, wehenden, unruhigen laut der natur 
und der tiere warnschrei, der brunst wie der klage. 
doch kann kein gesang in der ruhe geschehen noch verweilen, 

denn ruhe ist stillstand, das enden von jeder bewegung. 
muss darum gesang am ende alles geschehens verstummen?