Dienstag, 25. März 2014

Versuchung


Eine Hexe versperrte mir einst meinen Weg,
keine hässliche Alte, kein rothaarig Luder,
doch wenn ich genau es mir überleg,
dann streute sie mir in die Augen ein Puder,

so dass ich geblendet war und wie gelähmt.
Ihre prachtvollen Lippen, ihr herrlicher Mund,
die Augen lüstern und doch wie verschämt,
die zarte Hand streckte aus sie und

wandermüden

müden Wandrer

lade ich zu mir

Bleibt nicht draußen

kommt herein

Findet alles was Ihr suchtet

Hier

Nein, wollte ich rufen, ich wollte entfliehen,
und wollte es nicht, und wusst mich verloren.
In die Hütte zur Liegestatt ließ ich mich ziehen
da habe in diesem Moment ich geschworen,

Nimmer und nie mehr soll mich Lethe berauschen,
dass ich mein nüchternes Denken verlier,
bis Träume und Wirklichkeit sich vertauschen!

Ich schrie. Das Scheinbild zerbrach. Ich bin Hier.


Montag, 3. März 2014

Bestellung



Er legte die Hand an seine Stirne
und hörte, wie sich Gesang
aus ihm zu lösen anfing
in die Schleier,
die schwarzen undurchdringlichen Schleier,
die ihn umfingen, liebkosten,
als den Alten ihn priesen,
als den Kommenden,
den Künder.

Wie er die Augen öffnete ,
die gebundenen Augen öffnete,
in die Schleier,
die,  wie erschreckt,
plötzlich von ihm wichen,
weil die Nacht sie zurückrief
und  Neues kam aus dem Morgen,
das ihm die Lippen aufriss
und den Gesang von ihnen abnahm,
mit dem Entzücken der Verwandlung.

Als dann das Bäumchen, vor dem er gesessen,
sich aufrichtete, wuchs und wuchs
und die Zweige, auf denen die jungen Nadeln keimten,
im Rhythmus der heran sich wiegenden Wellen aus Licht und Wind
zu tanzen begannen,

als dann die Vögel hernieder stießen
aus einem blauentflammten Himmel hernieder,
und sich legten auf den Arm des riesigen Baumes,
der hinter ihm aufragte
und  seine tiefe Stimme im Windhauch tönen ließ,

als dann die Blüten und Blumen zu seinen Füßen
ihren Atem zu versenden begannen, den wohlriechenden,
der durch die Zähne der Blütenblätter
wanderte und weidete,

als dann seine Hände sich hoben,
zu preisen den, der ihn gesandt,
der ihn gesegnet
und als den Erwählten erkennen ließ,

als alle die Zeichen,
alle die wunderlichen und prachtvollen,
sich verkündigt,
da sank er in die Knie
und verschwieg sich …


Samstag, 13. April 2013

Heimatbefragung

Was hast Du, die ich Heimat heiße,
hast Du, was andre nicht besitzen?
Fehlt Dir, was man so häufig sucht,
wenn man sich vorstellt eine Reise,
und spricht von Kälten, Frühling, Hitzen,
bevor man wählt und bucht?

Gebirge , Flüsse, Wein und Sport,
ein reiches Angebot an Reizen,
es findet sich für jeden dort,
was dient, den Frohsinn anzuheizen.

Auch wurden Dir dereinst, nicht heute,
geboren große Töchter, Söhne,
bevor man Dich zerriss, verstreute
zu Ministaaten, Dir als Pöne.

So wurden Österreicher Tschechen,
zu Ungarn andre und Rumänen.
Dir ließ man gern die Kriegsverbrechen,
um selbst sich ohne Schuld zu wähnen.

Gebirge, Wälder farbenfroh,
auch Flüsse, Seen und so weiter,
die findet man auch anderswo,
vielleicht auch höher, länger, breiter.

In Deinen Schlössern und Palästen,
empfangen in Audienz Marxisten.
Den Schmerbauch des Gesindels mästen,
zum Beispiel, russische Touristen!

Kein Meer legt sich mit einem Strand
als Grenze Deinem Landes vor.
Was schadets? Es hilft Kosten sparen:
Du brauchst so kein Marinekorps.
Wo also ist, worin besteht,
was nur die Heimat uns kann schenken?
Der Zauber, der uns stets umweht,
wenn wir an Dich, an Heimat denken?

Wir denken "Heimat" und wir spüren,
wie sich die Brust verengt, sich weitet.
Uns überkommt ein Sehnen, Rühren
nach der, die uns als Kind geleitet,

die lang schon tot, doch unvergessen,
die Mutter, die uns half entdecken
die schöne Welt, die wir besessen.
Erinnerungen, die erwecken

die fernen Bilder ferner Zeiten.
Der Schein von dem, was einmal war,
will er zum Träumen uns verleiten,
von dem, was einst so wunderbar?

Im fremden Land, bist Fremder Du.
Doch sieh dies Land, das Deiner harrt!
So wende Dich ihm freundlich zu
und lebe mit ihm Gegenwart.

Freitag, 6. Januar 2012

Es jammern die Alten

Glaubst Du denn nicht, dass Dein wehleidig Klagen
den anderen oft auf die Nerven geht,
es sei denn, sie dürfen von sich selber sagen,
wie es um ihre eigenen Wehwehchen steht!

So wird ein Gespräch unter Greisen geschickt
auf dies Thema gebracht, und in dessen Verlauf,
auch wenn oft der eine schon längst eingenickt,
der andere doch nicht zu jammern hört auf.

Nur eines scheint wichtig in solcher Debatte
– welch hochtrabend Wort, wie klug, wie gescheit -
dass ein jeder glaubt, dass sie ihm gestatte,
aller Welt zu verkünden, wie einzig sein Leid.

Dies ist ein Zweikampf, in dem jeder siegt,
weil doch nur er selbst sich zum Sieger erklärt,
und sich überzeugt in Zufriedenheit wiegt,
wenn der Sack seiner Klagen erfolgreich entleert.

Drum lasst uns doch unsere Jammerkonzerte,
die erleichtern das Leben ein wenig uns Alten,
da alles, was man wie man jung war begehrte,
uns jetzt, da wir alt sind, wird vorenthalten.

Dies Plappern ist unsere Heiltherapie,
die wir lustvoll verfolgen, sobald wir zu zweit:
wir jammern und klagen und irgendwie
vertreiben wir so unsre Einsamkeit.

Freitag, 31. Dezember 2010

Silvester 2010

Welch eine Zeit! Du heiliger Strohsack!
Ein Jahr ist schon wieder - beinahe - vorbei.
Mit Feuerwerk, Sekt und Raketen
feiert Silvester das lärmende Pack.

Was gibt es zu feiern? Das ist einerlei,
es hat uns doch niemand zu fragen gebeten.

Doch was man nicht weiß, erzählt andren man gern,
und jeder vermeint, dass der Klügere er sei.

Zwölf Monate abgelaufen, durchlebt,
was gestern noch war, scheint uns heute so fern:
man bekaut noch die Frucht, wenn des Pudels Kern
dem Pentagramm zu entfliehen strebt.

Ach, Fauste, Mephisto, in dieser Welt,
da habt Ihr wohl nichts mehr verloren;
es zählt nur, was hier uns und heut unterhält.
Des Pöbels Geschrei betäubt meine Ohren.

Jalousien geschlossen, das Feuer verglimmt
im verrußten Kamin, das Weinglas vibriert
in der fiebrigen Hand. Ein neues Jahr klimmt
aus dem Schoß einer Nacht, die ins Nichts sich verliert.